Pilgerreise statt Bürgergeld? Jobcenter kürzt Leistungen wegen Geldgeschenks!

Ein Geldgeschenk wird grundsätzlich auf das Bürgergeld angerechnet. Das gilt auch dann, wenn es zum Zweck einer Pilgerreise nach Mekka zugewandt worden war - so ein aktuelles Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg. Wir stellen es hier vor!

Wann sind Geldgeschenke auf das Bürgergeld anrechenbar?

Bürgergeld erhält nur, wer bedürftig ist, also den eigenen Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen bestreiten kann. Was aber zählt alles zum Einkommen? Auch Geldgeschenke? Und wenn ja, Geldgeschenke jeglicher Art, unabhängig vom Zweck? Also auch Geldgeschenke aus religiösem Anlass? Konkreter Fall war ein Geldgeschenk von 65.000 Euro an eine Bürgergeld-Familie, damit diese eine Pilgerreise nach der im Islam heiligen Stadt Mekka machen konnte.

Das Jobcenter hatte das religiös motivierte Geldgeschenk auf das Bürgergeld angerechnet. Die Familie hatte Klage beim Sozialgericht erhoben. Nunmehr liegt eine Entscheidung des Landessozialgerichts vor. Wir stellen das Urteil in unserem Beitrag vor.

Pilgerreise nach Mekka

Ein Geldgeschenk darf vom Jobcenter auf das Bürgergeld angerechnet werden, auch wenn es um eine Pilgerreise nach Mekka geht.
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Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg: Das Jobcenter darf ein Geldgeschenk für eine Pilgerreise nach Mekka auf das Bürgergeld anrechnen.

Eine Familie hatte ein Geldgeschenk von einer älteren Nachbarin erhalten, um die sich die Familie fürsorglich gekümmert hatte. Die Nachbarin wollte der Familie ermöglichen, in die – im Islam heilige Stadt – Mekka zu pilgern. Nach dem islamischen Glauben sollte ein Muslim wenigstens einmal im Leben die heilige Stadt besuchen um dort am Grab von Mohammed zu beten.


Geldgeschenke beim Bürgergeld

Die Familie lebte jedoch vom Bürgergeld und teilte dem Jobcenter nicht mit, dass sie Geld geschenkt erhalten hatte. Als Grund führte die Familie an, die Nachbarin habe das Geld geschenkt, um ihr den lang gehegten Wunsch einer Pilgerreise nach Mekka erfüllen zu können.

Das Jobcenter erfuhr dennoch von dem Geldgeschenk und zog die Konsequenzen: Es hob sämtliche Bewilligungsbescheide für die Zeit nach der Schenkung zurück und verlangte knapp 23.000 Euro zu viel gezahltes Bürgergeld zurück.

Die Familie argumentierte vor Gericht, sie habe das Geld bereits komplett für die Pilgerreise ausgegeben. Belegen konnte sie dies nicht. Der Grund: es sei alles in bar ohne Quittung bezahlt worden.

Sozialgericht und Landessozialgericht gaben jedoch dem Jobcenter Recht, zum überwiegenden Teil.

Geldgeschenk auf Bürgergeld anrechenbar

Das Landessozialgericht wertete das Geldgeschenk als Einkommen. Dieses sei auf das Bürgergeld anzurechnen. Dies sie die eindeutige gesetzliche Regelung. Außerdem führte das Landessozialgericht eine Billigkeitsbewertung durch: Die Anrechnung des Geldgeschenks auf das Bürgergeld sei nicht unbillig. Im Rahmen der Selbsthilfe seien Bürgergeld Bezieher dem Grundsatz nach verpflichtet, alle Einnahmen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu nutzen.


Ausnahme: Geldgeschenk hat objektivierbaren Zweck – dann keine Anrechnung

Als Ausnahme von dem oben genannten Grundsatz der Anrechnung eines Geldgeschenks nannte das Landessozialgericht die Fälle, in denen eine Geldzuwendung mit einem objektivierbaren Zweck verknüpft sei, der bei einer Anrechnung nicht mehr zu erreichen wäre.

In solchen Fällen seien die Geldzuwendungen privilegiert – jedoch nicht in unbegrenzter Höhe!

Im vorliegend Falle läge sei die Geldzuwendung mit einem objektivierbaren Zweck verknüpft gewesen. Die Obergrenze für die Privilegierung sei aber überschritten gewesen. Die Obergrenze ergebe sich nämlich aus den geltenden Vermögensfreibeträge.

Das Gericht berechnete  für die Familie einen Vermögensfreibetrag von insgesamt 16.500 Euro. Der Restbetrag in Höhe von 48.750 Euro habe  zur Bedarfsdeckung verwendet werden müssen.

Nachweise zum Verbrauch des Geldes fehlen

Den Vortrag der Familie, sie habe das Geld bereits verbraucht, sah das Gericht als nicht erwiesen an. Das Gericht begründete seine Einschätzung wie folgt: Es widerspreche der Lebenserfahrung, eine Flugreise mit Kosten von mehr als 5.000 Euro in bar zu bezahlen. Angaben zum Zeitpunkt der Reise seien nicht gemacht worden. Die tatsächliche Durchführung der Reise hätte ohne weiteres mit Flugtickets und Belegen über Hotelübernachtungen oder auch durch Ein- und Ausreisestempel im Reisepass bewiesen werden können.


Weitere Konsequenzen des Verschweigens des Geldgeschenks

Die volljährigen Mitglieder der Familie sind zuvor auch wegen Betrugs zu lasten des Jobcenters verurteilt worden.

Quelle

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.04.2024 – L 18 AS 684/22)