Bundestag verabschiedet Bürgergeld-Gesetz

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Der Bundestag hat am 10. November 2022 dem Gesetzentwurf (20/3873) der Bundesregierung für die Einführung eines Bürgergeldes zugestimmt.

Nun fehlt als wesentlicher Punkt zum Wirksamwerden des Gesetzes zum 1. Januar 2023 noch die Zustimmung des Bundesrates. Dort haben die unionsgeführten Bundesländer die Mehrheit. Der Bundesrat wird sich am 14. November 2022 in einer Sondersitzung mit der Gesetzesvorlage befassen.

Nach Kritik insbesondere aus den Reihen von CDU und CSU  wurde der vom Bundestag beschlossene Gesetzentwurf in einigen Punkten verändert.

Kernpunkte des Bürgergeldes

Das Bürgergeld-Gesetz soll die größte sozialpolitische Reform seit vielen Jahren sein, so die Bundesregierung. Damit werde man Hartz IV hinter sich lassen.

Kernpunkte der Reform des SGB II und des Bürgergelds sind

– eine „Kooperation auf Augenhöhe“ zwischen Arbeitssuchenden und Jobcenter-Mitarbeitern,

– die Einführung einer zweijährigen Karenzzeit, in der das Vermögen und die Angemessenheit der Wohnung nicht überprüft werden,

– die Stärkung von Weiterbildung durch finanzielle Anreize.

– die Verfestigung des soziale Arbeitsmarkts

– die deutliche Abmilderung der Sanktionen

– die Anhebung der monatlichen Regelleistungen um einen Inflationsausgleich

– die Abschaffung des „Vermittlungsvorrang in Arbeit“ – stattdessen die Einführung einer Unterstützung von Geringqualifizierten auf dem Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung um ihnen den Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt zu öffnen

– eine umfassende Betreuung von jenen Leistungsberechtigten, „die aufgrund vielfältiger individueller Probleme besondere Schwierigkeiten haben, Arbeit aufzunehmen“.


Änderungen am Bürgergeld-Gesetz

Der Entwurf des Bürgergeld-Gesetzes, wie er nun am 10. November 2022 dem Bundestag zur Abstimmung vorlag, wurde, wie oben schon erwähnt, in einigen Punkten verändert. Diese Punkte sind folgende

Heizkosten: Die Regelungen  zur Erstattung der Heizkosten während der Karenzzeit von zwei Jahren zu Beginn des Bürgergeldbezugs sind verschärft worden. Heizkosten  werden nun nicht mehr in tatsächlicher, sondern nur in angemessener Höhe anerkannt.

Schonvermögen: Künftig sollen Leistungsberechtigte nicht mehr nur – wie ursprünglich vorgesehen – über eine einfache Erklärung bestätigen, dass ihr Vermögen die Grenzwerte für das Schonvermögen nicht überschreitet. Nunmehr ist eine Selbstauskunft im Gesetz vorgesehen

– Coaching von Langzeitarbeitslosen: Das begleitende Coaching für langzeitarbeitslose Menschen nach Start einer Arbeitsaufnahme wird auf neun Monate erweitert. Auch junge Menschen, die eine Ausbildung beginnen, erhalten diese Begleitung.

Hinzuverdienst:  Die Hinzuverdienstregeln für Schüler und Studierende werden angepasst. Die großzügigeren Regeln für Minijob-Verdienste von Schülern und Studierenden gelten nur bis zu drei Monaten nach Schulabschluss. Die Freibeträge werden zudem dynamisiert.

Berufliche Weiterbildung: Von den Änderungen beim Vermittlungsvorrang sollen nicht nur berufsbezogene Weiterbildungen, sondern berufliche Weiterbildungen allgemein betroffen sein.

Folgende Paragraphen des Bürgergeld-Gesetzentwurfs zur Neuregelung des  SGB II sind erneut abgeändert worden: 2, 3, 6, 11 b, 12, 13, 14, 15, 15a, 15b, 16 k,  25, 31, 37, 40, 42 und 65.

Die Einzelheiten und den neu vorgesehenen Wortlaut der Gesetzesvorlage finden Sie hier: Bürgergeld-Gesetz

Union hält trotz Änderungen an Kritik fest

Trotz der Änderungen im Gesetzentwurf zum Bürgergeld halten CDU und CSU an ihrer Kritik hinsichtlich der Erleichterungen während der Karenzzeit zu Schonvermögen und Mitwirkungspflichten fest. Es wird wie folgt argumentiert: Durch das geplante Bürgergeld-Gesetz werde das Prinzip des Forderns ausgehebelt. Das Fördern werde nicht verbessert, da ohne zusätzliche Mittel für die Jobcenter das Gesetzes nicht umgesetzt werden könne.


Linke kritisiert ebenfalls

Die Linke vertritt die Auffassung, dass angesichts der Einsparungen bei den Mitteln für Eingliederungsleistungen sich das Weiterbildungsversprechen nicht würde umsetzen lassen. Zudem bewahre das Bürgergeld nicht vor Armut.

Regierung verteidigt Bürgergeld

Die Fraktionen der Regierung verteidigten das Bürgergeld. Die Unionsfraktion habe in den vergangenen Wochen Unwahrheiten über das Gesetz verbreitet.  Es sei nicht zutreffend, das sich  Arbeit künftig nicht mehr noch handele es sich beim Bürgergeld um ein bedingungsloses Grundeinkommen. Die Regelungen zum Schonvermögen während der Karenzzeit seien allein eine Frage des Respekts vor der Lebensleistung. Mitwirkungspflichten gebe es weiterhin. Im Vordergrund stünde eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt.


Argumente zum Bürgergeld im Bundestag

Vor der Abstimmung im Bundestag zum Bürgergeld wurde heiß diskutiert und debattiert. Nachfolgend eine Zusammenfassung der Argumente aus den unterschiedlichen Fraktionen.

Argumente des Bundesarbeitsministers

Der Bundesarbeitsminister erklärte in der Bundestagsdebatte um das Bürgergeld, dass mit dem neuen Gesetz die Chance geschaffen werde, dass Menschen nicht in Hilfstätigkeiten vermittelt werden müssten, sondern einen dauerhaften Einstieg in den Arbeitsmarkt schaffen könnten. Außerdem werden  Bürokratie in den Jobcentern abgebaut. Diese könnten sich nun auf Vermittlung und Beratung konzentrieren, ihre Kernaufgabe.

Mit Blick auf die CDU/CSU sagte der Bundesarbeitsminister, diese würde unlogisch argumentieren, wenn sie behaupte, Arbeit lohne sich wegen des Bürgergeldes nicht mehr, im gleichen Atemzug aber die Regelsätze erhöhen wolle.

Argumente der CDU/CSU

Aus den Reihen der CDU/CSU wurde der Bundesregierung vorgeworfen, jedes sachliche  Gespräch über die falschen Grundlagen des Gesetzes zu blockieren. Zudem würde Kritik von den Kommunen, die das Gesetz umsetzen müssten, einfach nicht zur Kenntnis genommen. Es werde deshalb schwer, im Bundesrat, in dem die Bundesländer vertreten sind, die Zustimmung zu dem Gesetz zu erhalten.

Zudem wurde der Vorwurf, die Union verzögere die wichtige Regelsatzerhöhung zum 1. Januar 2023, wenn sie dem Gesetz nicht zustimme, wurde zurückgewiesen. Die Regierung habe ausreichend Gelegenheit gehabt, mit der Union zu sprechen, diese aber nicht genutzt.

Argumentation der Die Grünen

Aus den Reihen der Grünen war zu hören, die Union und insbesondere deren Vorsitzender schüre Sozialneid, würde jetzt im Bundestag aber nicht sprechen. Zudem sei nicht zu erwarten, dass jemand, der im Privatjet zu Partys fliege, die Situation einer Alleinerziehenden mit wenig Geld nachvollziehen könne. Erwartet werde aber Respekt vor der Lebenslage eines jeden Menschen. Daran mangele es.

Weiter wurde argumentiert, dass das Bürgergeld mehr als die Regelsatzerhöhung sei. Es würde eine Reform des Arbeitsmarktes beinhalten. Da es auf  Qualifizierung und Weiterbildung setze. Das sei auch für die Firmen und dem Blickwinkel des Fachkräftemangels wichtig.

Argumente der AfD

Die AfDbefürwortete die Regelsatzerhöhung. Ansonsten lehnte sie das Bürgergeld in der Fassung des Gesetzentwurfs ab. Es wurde argumentiert, dass das Bürgergeld nicht denen helfe, die arbeiten und Leistung zeigen wollen, sondern jenen, die nicht arbeiten wollen.

Im Hinblick auf die Regeln zum Schonvermögen in der Karenzzeit und die abgemilderten Sanktionen wurde argumentiert, dass ein Bürgergeld-Bezieher kein Risiko eingehen, müsse. Das gesellschaftliche Grundprinzip des Geben und Nehmens werde ausgehebelt, der Sozialstaat werde so beleidigt.

Argumente der FDP

Aus den Reihen der FDP war zu hören, dass die Demokratie vom Wettstreit der Argumente lebe. Die Opposition solle aus diesem Grund selbstverständlich die Regierung kritisieren. Es sei jedoch ein wesentlicher Unterschied, ob man ein alternatives politisches Urteil fället oder ob man alternative Fakten erfinde. Zu letzteren gehöre die Behauptung des CDU-Vorsitzenden, dass mit dem Bürgergeld eine sechsmonatige sanktionsfreie Karenzzeit eingeführt werde. Diese Behauptung sei schlicht nicht wahr. Es gebe keine sanktionsfreie Zeit im Bürgergeld. Wer etwas anderes behaupte, verbreite Fake News. Und völlig schizophren werde es, wenn die Union behaupte, Arbeit lohne sich nicht mehr.  Das sei in jedem einzelnen Fall falsch.

Argumente der Die Linke

Aus der Fraktion Die Linke war das Argument zu hören, dass die Wirtschaftsweisen angesichts der Krise höhere Steuern für Vermögende verlangt hätten,  die Union dies aber ablehne stattdessen Geringverdiener gegen Arbeitslose ausspiele.

Es sei unwürdig, das Milliardenvermögen von Superreichen zu schützen und das Schonvermögen von Menschen, die jahrelang gearbeitet haben, infrage zu stellen.

Argumente der SPD

Aus den Reihen der SPD war zu hören, dass das Bürgergeld mit seinem Fokus auf Qualifizierung und Weiterbildung die Antwort auf den Fachkräftemangel darstelle. Die CDU/CSU habe dies nicht verstanden. Es sei richtig auf zielgenaue Vermittlung in Arbeit zu setzen, die Arbeit der Jobcenter zu entbürokratisieren und sie gut auszustatten.