Warum Einkommen die Lebenserwartung beeinflusst
Die Lebenserwartung gilt in modernen Gesellschaften als Gradmesser für Gesundheit, Wohlstand und soziale Sicherheit. Doch diese Kennzahl ist nicht gleichmäßig verteilt. Menschen mit hohem Einkommen, guter Ausbildung und stabilen Arbeitsverhältnissen leben im Schnitt erheblich länger als Personen am unteren Ende der Einkommensskala.
Gründe dafür sind vielfältig:
- Niedrigeres Einkommen führt oft zu höheren Belastungen und Stress.
- Schlechtere Wohn- und Arbeitsbedingungen erhöhen das Krankheitsrisiko.
- Geringere Renten zwingen viele, auch im Alter an gesundheitlich belastenden Nebenjobs festzuhalten.
- Medizinische Versorgung und Prävention werden seltener in Anspruch genommen, wenn finanzielle Mittel fehlen.
Kurz gesagt: Wer sein Leben lang wenig verdient, zahlt dafür doppelt – erst durch eingeschränkten Lebensstandard, dann durch eine verkürzte Rentenzeit.
Statistische Fakten zu Rente und Lebensdauer
Diverse Studien, unter anderem vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), dem Statistischen Bundesamt und internationalen Organisationen wie der OECD, zeichnen ein ähnliches Bild: Der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen ärmeren und wohlhabenderen Bevölkerungsschichten liegt oftmals bei 5 bis 10 Jahren – teilweise sogar noch höher.
So belegen Untersuchungen aus Deutschland, dass Männer mit hoher Rente im Schnitt 77 bis 80 Jahre alt werden, während Männer mit sehr niedriger Rente oft schon vor dem 75. Geburtstag versterben. Bei Frauen sind die Unterschiede etwas geringer, aber immer noch signifikant.
Die Rente ist dabei nicht nur ein finanzieller Indikator, sondern auch ein Spiegel der gesamten Lebensbiografie: Wer viele Jahre in prekären Jobs arbeitet, erkrankt häufiger an chronischen Leiden, hat weniger Zugang zu Vorsorgeprogrammen und geht oft erschöpfter in den Ruhestand.
Die große Tabelle – Rente und Lebenserwartung im Vergleich
Die nachfolgende Übersicht zeigt, wie deutlich die Unterschiede ausfallen können. Die Zahlen sind gerundete Durchschnittswerte und basieren auf aggregierten Auswertungen verschiedener Renten- und Gesundheitsberichte.
Rentenhöhe (monatlich, brutto) | Durchschnittliche Restlebenserwartung Männer ab Renteneintritt (65 J.) | Durchschnittliche Restlebenserwartung Frauen ab Renteneintritt (65 J.) | Typische Berufsgruppen |
---|---|---|---|
unter 1.000 € | 13–15 Jahre (Tod mit ca. 78–80 J.) | 17–19 Jahre (Tod mit ca. 82–84 J.) | Hilfsarbeiter, Reinigung, Niedriglohnsektor |
1.000–1.500 € | 15–17 Jahre (Tod mit ca. 80–82 J.) | 19–21 Jahre (Tod mit ca. 84–86 J.) | Handwerk, einfache Büroarbeit |
1.500–2.000 € | 17–19 Jahre (Tod mit ca. 82–84 J.) | 21–23 Jahre (Tod mit ca. 86–88 J.) | Facharbeiter, kaufmännische Angestellte |
2.000–2.500 € | 19–21 Jahre (Tod mit ca. 84–86 J.) | 23–24 Jahre (Tod mit ca. 88–89 J.) | Mittleres Management, qualifizierte Angestellte |
über 2.500 € | 21–23 Jahre (Tod mit ca. 86–88 J.) | 24–25 Jahre (Tod mit ca. 89–90 J.) | Akademische Laufbahnen, Führungskräfte |
Diese Tabelle verdeutlicht klar: Je niedriger die Rente, desto weniger Zeit bleibt im Ruhestand – und umgekehrt.
Regionale Unterschiede
Nicht nur die Höhe der Rente spielt eine Rolle, sondern auch, wo man in Deutschland lebt. In wohlhabenderen Regionen wie Bayern oder Baden-Württemberg ist die durchschnittliche Lebenserwartung höher als in strukturschwächeren Gegenden wie Sachsen-Anhalt oder dem Ruhrgebiet. Die Kombination aus niedrigem Einkommen und schlechter regionaler Gesundheitsversorgung wirkt sich dort besonders fatal aus.
Gesellschaftliche Dimension
Das Ganze hat nicht nur eine individuelle, sondern auch eine gesellschaftliche Tragweite. Denn wenn Menschen mit niedriger Rente erwartungsgemäß früher sterben, profitieren sie statistisch gesehen weniger von den jahrzehntelangen Beitragszahlungen ins Rentensystem. Umgekehrt genießen Wohlhabendere ihre Rente länger – was die Debatte um Gerechtigkeit im deutschen Rentensystem immer wieder anheizt.
Ein Beispiel: Ein Geringverdiener zahlt jahrzehntelang seinen Beitrag, erreicht aber im Ruhestand vielleicht nur 12–14 Jahre Rente. Ein Gutverdiener kann dagegen 20 Jahre oder länger seine Bezüge genießen. Die soziale Schieflage wird so in der Praxis verstärkt.
Was lässt sich tun?
Auch wenn die Zahlen bedrückend sind, gibt es Möglichkeiten, gegenzusteuern:
- Gesundheitsvorsorge und Prävention stärker fördern, besonders für einkommensschwache Gruppen.
- Lebensarbeitszeitmodelle flexibler gestalten, um Menschen in körperlich belastenden Berufen früher den Ruhestand zu ermöglichen.
- Faire Löhne und stabilere Arbeitsbedingungen schaffen, um langfristig Rentenansprüche zu erhöhen.
- Regionale Ungleichheiten in der medizinischen Versorgung abbauen.
Fazit
Es klingt makaber, ist aber statistisch erwiesen: Eine geringe Rente geht oft mit einem früheren Tod einher. Wer wenig verdient, lebt im Schnitt nicht nur kürzer, sondern hat auch weniger von seiner Rentenzeit. Die Zahlen in der großen Tabelle machen das Ausmaß sichtbar und zeigen, wie eng Rente und Lebenserwartung miteinander verflochten sind.
Der Blick auf diese Fakten sollte Alarmzeichen sein – sowohl politisch als auch gesellschaftlich. Denn ein gerechtes Rentensystem bedeutet mehr als finanzielle Sicherheit: Es ist eine Frage von Lebensjahren und Lebensqualität.
Quellen
Die Quelle für die genannte Statistik ist eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die auf Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) basiert und den Zusammenhang zwischen Einkommen, Rentenhöhe und Lebenserwartung in Deutschland analysiert hat.sozialpolitik-aktuell
Wichtige Studien und statistische Auswertungen
- Die DIW-Forscher Peter Haan, Daniel Kemptner und Holger Lüthen haben belegt, dass Wohlhabende in Deutschland deutlich älter werden als Menschen mit niedrigem Einkommen – und damit auch länger Rente beziehen. boeckler.de
- Laut SOEP-Auswertung des DIW gelten die Zusammenhänge zwischen Einkommen und Lebenserwartung als statistisch signifikant, mit gestaffelten Differenzen je nach monatlichem Bruttoeinkommen. sozialpolitik-aktuell.de
- Weitere Analysen zeigen, dass Geringverdiener ein deutlich erhöhtes Sterberisiko haben, insbesondere im Alter von 55 bis 76 Jahren, und ihre Renten kürzer beziehen als Gutverdiener. diw.de
Direktes Zitat und Details aus der Originalquelle
Die DIW-Studie und andere wissenschaftliche Arbeiten greifen auf repräsentative Daten des SOEP zurück, um die Lebenserwartung nach Einkommenshöhe zu bestimmen. Die wichtigsten Ergebnisse sind auf der Website des DIW und in wissenschaftlichen Publikationen ausführlich dokumentiert.
Die vollständigen Ergebnisse sind z. B. verfügbar in:
- Peter Haan, Daniel Kemptner, Holger Lüthen: “The Rising Longevity Gap by Lifetime Earnings – Distributional Implications for the Pension System”, DIW Discussion Paper 1698, Oktober 2017.
- SOEP-Auswertung zum Zusammenhang von Bruttoeinkommen und Lebenserwartung, IGKE-Studie.
- DIW-Artikel „Wer wenig Einkommen hat, stirbt früher und erhält dadurch kürzer Rente“.
Diese Quellen bilden die Grundlage für die statistischen Angaben im Artikel.