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Bürgergeld für ukrainische Flüchtlinge: Gerecht oder ungerecht? Warum Deutschland jetzt über Fairness streitet

Das Bürgergeld für ukrainische Flüchtlinge sorgt in Deutschland für einen der größten sozialpolitischen Konflikte des Jahres 2025. Rund 700.000 Menschen aus der Ukraine beziehen derzeit Bürgergeld – eine Leistung, die ihnen schnelle Hilfe sichern und Integration fördern soll. Doch die Stimmung kippt: Laut aktuellen Umfragen lehnen zwei Drittel der Deutschen das Bürgergeld für Ukrainer ab. Zwischen Solidarität und sozialer Gerechtigkeit tobt eine hitzige Debatte – nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in der Politik. Einzelheiten in nachfolgendem Artikel auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V.!

Warum Ukrainer überhaupt Bürgergeld erhalten

Nach Beginn des russischen Angriffskriegs 2022 entschied die EU: Ukrainische Geflüchtete benötigen kein Asylverfahren. Sie können sofort in jedem EU-Staat leben, arbeiten und Sozialleistungen beziehen. In Deutschland gilt ihre Aufnahme nach § 24 Aufenthaltsgesetz – mit einer bemerkenswerten Konsequenz: Sie haben direkt Anspruch auf Bürgergeld.

Damit unterscheidet sich ihre Situation grundlegend von anderen Flüchtlingsgruppen. Während Asylbewerber sonst nur Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz von etwa 441 Euro im Monat erhalten, bekommen Ukrainer den vollen Bürgergeldsatz von 563 Euro für Alleinstehende – plus Miete, Heizkosten und Krankenversicherung.​

Diese Sonderregel sollte ursprünglich Integration erleichtern: Ukrainische Flüchtlinge sollten schneller arbeiten dürfen, Sprachkurse besuchen und sich vom Jobcenter vermitteln lassen. Doch drei Jahre nach Beginn der Regelung fällt die Bilanz gemischt aus.

Arbeitsmarktintegration: Anspruch und Realität

Von den etwa 1,3 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainern in Deutschland haben laut Bundesagentur für Arbeit nur rund ein Drittel einen Job. Gleichzeitig beziehen über die Hälfte Bürgergeld.
Die Gründe sind vielfältig: Sprachbarrieren, Kinderbetreuung, psychische Belastungen durch den Krieg und regionale Engpässe auf dem Arbeitsmarkt.

Arbeitsmarktforscher wie Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) halten das Bürgergeld dennoch für den richtigen Weg. Wer über das Jobcenter Leistungen erhalte, stehe „unter Förder- und Forderbedingungen“, müsse an Sprachkursen teilnehmen, Bewerbungen schreiben und könne sanktioniert werden – das sei ein Anreiz zur Integration.
Würden Ukrainer dagegen in die Kommunalverwaltung überführt, wie es das Asylbewerbergesetz vorsieht, verlöre man diese direkte Einbindung.

Kritik: „Ungerecht gegenüber deutschen Bedürftigen“

Auf der Gegenseite steht wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Eine INSA-Umfrage im Oktober 2025 zeigt: 66 Prozent der Deutschen lehnen Bürgergeld für Ukrainer ab, nur 17 Prozent befürworten es.
Viele empfinden es als sozial ungerecht, dass Kriegsflüchtlinge sofort den vollen Anspruch auf Grundsicherung haben, während deutsche Bürger zuvor lange Nachweise erbringen müssen.

Zudem stößt der hohe Kostenfaktor auf Kritik: Der Bund zahlt jährlich rund 6,3 Milliarden Euro Bürgergeld an Ukrainer. Das Arbeitsministerium plant daher ab 2026 Einsparungen von 1,5 Milliarden Euro, unter anderem durch eine Neubewertung der Zugangsrechte.

Konservative Stimmen – etwa aus der CSU und AfD – fordern, dass Neuankömmlinge künftig nur noch Asylbewerberleistungen bekommen sollen. Die AfD nennt das Bürgergeld eine „Einladung in die Sozialsysteme“.

Die geplante Reform ab 2026

Die Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) hat sich auf einen Rechtskreiswechsel geeinigt. Ein Gesetz liegt aber nocht nicht vor!
Demnach sollen ukrainische Flüchtlinge, die ab dem 1. April 2025 nach Deutschland gekommen sind, kein Bürgergeld mehr erhalten, sondern – wie andere Geflüchtete – Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Bestehende Leistungsbezieher bleiben vorerst im Bürgergeldsystem. Der Wechsel für „Neufälle“ soll den Sozialetat entlasten und Verwaltungsverzerrungen vermeiden. Eine tatsächliche Einsparung für den Bundeshaushalt ergibt sich laut aktuellen Schätzungen aber kaum: Die Einsparungen würden durch höhere kommunale Belastungen nahezu kompensiert.

EU-Vorgaben und humanitäre Verantwortung

Ein Punkt, der in der Debatte häufig übersehen wird, betrifft das europäische Recht. Nach der EU-Richtlinie über den vorübergehenden Schutz (2001/55/EG) muss Deutschland Ukrainerinnen und Ukrainern denselben Zugang zu Sozialhilfe gewähren wie den eigenen Bürgern.
Das Bürgergeld stellt damit auch eine europarechtlich bedingte Gleichstellung dar. Ein vollständiger Ausschluss könnte juristische Konflikte mit Brüssel auslösen.

Viele humanitäre Organisationen – darunter Caritas, Diakonie und Pro Asyl – warnen daher vor einer politischen Symboldebatte. Die Kürzung von Leistungen für Kriegsflüchtlinge löse kein Integrationsproblem, sondern erschwere Selbstständigkeit. Ein gerechter Sozialstaat messe sich daran, „wie er mit den Schwächsten umgeht“, betonen sie.

Stimmen der Betroffenen

Ukrainische Geflüchtete selbst zeigen Verständnis für die Diskussion – aber auch Enttäuschung über die Stimmungslage. Eine 32‑jährige Ingenieurin aus Kiew sagte dem Deutschlandfunk: „Ich will keine Hilfe, ich will arbeiten. Aber es dauert, bis mein Diplom anerkannt wird und meine Deutschkenntnisse reichen. Ich brauche Zeit, keine Almosen“.

Gerade viele Frauen mit Kindern möchten unabhängig werden – doch Betreuungsplätze sind knapp, und Bürokratie erschwert schnelle Jobaufnahmen. Ohne Bürgergeld wären sie auf Obdachlosenhilfe angewiesen.

Gerecht oder ungerecht – die moralische Zwickmühle

Die Gerechtigkeitsfrage teilt Deutschland:

  • Befürworter sehen im Bürgergeld für Ukrainer ein Gebot der Solidarität – schließlich fliehen sie vor einem Krieg auf europäischem Boden. Wer Schutz bietet, muss auch existenzielle Sicherheit gewähren.
  • Kritiker argumentieren, gleiche Leistungen seien unfair, solange Ukrainer weder lange eingezahlt noch sozial integriert sind.

Beide Seiten haben Argumente. Fakt ist: Das Bürgergeld wirkt nicht als „Belohnung“, sondern als Integrationswerkzeug – es verpflichtet zu Kursen, Arbeitssuche und Mitwirkungspflichten. Ohne diese Einbindung droht Stillstand in Job und Sprache.

Fazit zum Bürgergeld für ukrainische Flüchtline

Die Diskussion um das Bürgergeld für ukrainische Flüchtlinge ist längst mehr als eine Sozialfrage – sie berührt das Selbstverständnis Deutschlands als Wertegemeinschaft.
Zwischen Humanität, Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Vernunft sucht die Regierung einen schwierigen Balanceakt. Der geplante Systemwechsel ab 2026 soll Ordnung schaffen, birgt aber rechtliche Risiken und gesellschaftliche Spannungen.

Ob das Bürgergeld für Ukrainer gerecht ist, hängt also vom Blickwinkel ab:

  • Für viele Deutsche ist Gleichbehandlung mit Einheimischen ungerecht.
  • Für viele Ukrainer ist ungleiche Hilfe in Europa – angesichts von Bomben, Verlust und Flucht – ein Schlag ins Gesicht.

Deutschland bleibt damit im Herbst 2025 ein Land zwischen Solidaritätspflicht und Systemgrenze – und das Bürgergeld steht einmal mehr im Zentrum der sozialen Gerechtigkeitsdebatte.

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Redakteure

  • Peter Kosick

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen.

    Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein.

    Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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  • ik
    Experte:

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an.

    Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen.

    Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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