Was die bundesweiten Pauschalen von Kanzler Merz für Millionen bedeuten
Die Grundsicherung steht vor ihrem größten Umbruch seit Jahren. Mit dem geplanten Ende des Bürgergelds und dem Wechsel auf eine neue Grundsicherung ab 2027 kündigt die Bundesregierung tiefgreifende Änderungen an. Besonders umstritten: Kanzler Friedrich Merz will die Mietkosten für Empfänger künftig bundesweit deckeln und Pauschalen einführen – eine Reform, die für hunderttausende Menschen mögliche Zwangsumzüge bedeuten könnte.
Neue Grundsicherung statt Bürgergeld: Was ist geplant?
Die schwarz-rote Bundesregierung hat beschlossen, das aktuell geltende Bürgergeld schrittweise durch eine neue Grundsicherungsform zu ersetzen. Im Mittelpunkt steht dabei die Umstellung von individuell angepassten Mietkosten auf bundesweit einheitliche Pauschalen für die Unterkunft. Die aktuelle Praxis, wonach Jobcenter die tatsächlichen, als „angemessen“ geltenden Mietkosten selbst in teuren Regionen übernehmen, würde damit abgelöst.
Hintergrund sind stark steigende Ausgaben: Die Bürgergeld-Kosten beliefen sich 2024 auf mehr als 50 Milliarden Euro, davon entfallen rund 20 Milliarden auf Unterkunftskosten – mit weiter wachsendem Trend durch hohe Mieten in Großstädten.
Was bedeuten Pauschalen in der Praxis?
Die geplanten Pauschalen würden feste Beträge vorgeben, die unabhängig vom tatsächlichen Mietpreis nur noch regional unterschiedlich gestaffelt werden. Liegen die realen Wohnkosten über dieser Pauschale, müssen Bürgergeld-Beziehende entweder aus eigener Tasche dazuzahlen – oder umziehen.
Vor allem in Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt wie München, Hamburg oder Frankfurt, wo Mietpreise von 15–20 Euro pro Quadratmeter keine Seltenheit sind, wäre die Konsequenz klar: Viele Bürgergeld-Beziehende könnten sich ihre Wohnung nicht mehr leisten und müssten in günstigere Stadtteile oder aufs Land ziehen. Sozialverbände warnen vor neuen sozialen Brennpunkten und einer massiven Verdrängung ärmerer Menschen aus den Städten.
Wer ist besonders betroffen?
- Beziehende in Großstädten mit hohen Quadratmeterpreisen.
- Alleinerziehende, Familien und ältere Menschen, die keinen Wohnungswechsel stemmen können.
- Langzeitmieter mit alten Mietverträgen, die im Falle eines Umzugs höhere Neuvermietungspreise zahlen müssten.
Insbesondere alleinstehende Personen und größere Familien, die bereits jetzt den größten Teil ihres Bürgergelds für die Miete aufwenden, würden hart getroffen.
Kritik von Sozialverbänden und Opposition
Die geplante Pauschalierung stößt auf breite Kritik: SPD-Politiker und Sozialverbände wie Der Paritätische warnen vor mehr Obdachlosigkeit und sozialer Spaltung. Schon jetzt sind die Wohnungsgrößen und die Höhe der anerkannten Miete für Bürgergeldbeziehende begrenzt – neue Pauschalen könnten die Situation erheblich verschärfen. Die SPD fordert stattdessen, das Problem durch mehr Investitionen in sozialen Wohnungsbau und eine echte Mietpreisbremse zu lösen.
Verschärfte Sanktionen und weitere Änderungen
Begleitet wird die Reform von einem härteren Kurs gegenüber Leistungsbeziehenden. Geplant sind schnellere und härtere Sanktionen – im Extremfall der vollständige Leistungsentzug bei wiederholter Jobverweigerung, jedoch nur im Rahmen der verfassungsrechtlich zulässigen Minimalversorgung. Außerdem soll der Mechanismus zur Anpassung der Regelbeträge auf das strengere, inflationsärmere Hartz-IV-Modell zurückgeführt werden. Nach Einschätzung von Experten und Sozialverbänden bleiben die Sätze bis 2027 unverändert, danach sind nur noch moderate Steigerungen zu erwarten.
Wie können sich Betroffene vorbereiten?
Betroffene sollten frühzeitig Kontakt zu Sozialverbänden, Rechtsberatungen oder dem Jobcenter suchen, um die individuellen Folgen abzuschätzen. Wer in hochpreisigen Mietregionen wohnt, muss prüfen, ob ein Umzug droht oder andere Härtefallregelungen greifen könnten. Auch sollten alle Möglichkeiten zur Mietkostensenkung ausgelotet werden, sowohl durch Verhandlungen mit Vermietern als auch durch Unterstützungsangebote der Kommune.
Fazit des Vereins Für soziales Leben e. V.
Die angekündigten bundesweiten Pauschalen bei den Mietkosten in der Grundsicherung markieren einen Paradigmenwechsel – weg von sozialer Individualisierung, hin zu Kostenbegrenzung. Obwohl der Druck auf die Staatsfinanzen real ist, dürfen soziale Härten nicht auf dem Rücken derjenigen ausgetragen werden, die ohnehin kein Polster haben. Zwangsumzüge gefährden sozialen Zusammenhalt und verschärfen Wohnungsnot und Armut. Politik und Gesellschaft müssen sicherstellen, dass das menschenwürdige Existenzminimum gewahrt bleibt – und Praktikabilität nie Vorrang vor Menschenwürde bekommt.