Für soziales Leben e. V.

gemeinnützig & unabhängig

Stand:

Autor: Experte:

Zwangsumzüge ab 2027? Die geplante Bürgergeld-Reform unter der Lupe

Die Bundesregierung plant ab 2027 eine weitreichende Reform der Grundsicherung: Kanzler Merz strebt bundesweit einheitliche Pauschalen für Unterkunftskosten an – mit drastischen Folgen für Bürgergeld-Beziehende. Vor allem in teuren Städten drohen Zwangsumzüge in günstigere Wohnungen. Was bedeutet das konkret? „Bürger & Geld“, das Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e. V., erklärt die Hintergründe, die Kritik und was auf Betroffene wirklich zukommt.

Was die bundesweiten Pauschalen von Kanzler Merz für Millionen bedeuten

Die Grundsicherung steht vor ihrem größten Umbruch seit Jahren. Mit dem geplanten Ende des Bürgergelds und dem Wechsel auf eine neue Grundsicherung ab 2027 kündigt die Bundesregierung tiefgreifende Änderungen an. Besonders umstritten: Kanzler Friedrich Merz will die Mietkosten für Empfänger künftig bundesweit deckeln und Pauschalen einführen – eine Reform, die für hunderttausende Menschen mögliche Zwangsumzüge bedeuten könnte.

Neue Grundsicherung statt Bürgergeld: Was ist geplant?

Die schwarz-rote Bundesregierung hat beschlossen, das aktuell geltende Bürgergeld schrittweise durch eine neue Grundsicherungsform zu ersetzen. Im Mittelpunkt steht dabei die Umstellung von individuell angepassten Mietkosten auf bundesweit einheitliche Pauschalen für die Unterkunft. Die aktuelle Praxis, wonach Jobcenter die tatsächlichen, als „angemessen“ geltenden Mietkosten selbst in teuren Regionen übernehmen, würde damit abgelöst.

Hintergrund sind stark steigende Ausgaben: Die Bürgergeld-Kosten beliefen sich 2024 auf mehr als 50 Milliarden Euro, davon entfallen rund 20 Milliarden auf Unterkunftskosten – mit weiter wachsendem Trend durch hohe Mieten in Großstädten.

Was bedeuten Pauschalen in der Praxis?

Die geplanten Pauschalen würden feste Beträge vorgeben, die unabhängig vom tatsächlichen Mietpreis nur noch regional unterschiedlich gestaffelt werden. Liegen die realen Wohnkosten über dieser Pauschale, müssen Bürgergeld-Beziehende entweder aus eigener Tasche dazuzahlen – oder umziehen.

Vor allem in Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt wie München, Hamburg oder Frankfurt, wo Mietpreise von 15–20 Euro pro Quadratmeter keine Seltenheit sind, wäre die Konsequenz klar: Viele Bürgergeld-Beziehende könnten sich ihre Wohnung nicht mehr leisten und müssten in günstigere Stadtteile oder aufs Land ziehen. Sozialverbände warnen vor neuen sozialen Brennpunkten und einer massiven Verdrängung ärmerer Menschen aus den Städten.

Wer ist besonders betroffen?

  • Beziehende in Großstädten mit hohen Quadratmeterpreisen.
  • Alleinerziehende, Familien und ältere Menschen, die keinen Wohnungswechsel stemmen können.
  • Langzeitmieter mit alten Mietverträgen, die im Falle eines Umzugs höhere Neuvermietungspreise zahlen müssten.

Insbesondere alleinstehende Personen und größere Familien, die bereits jetzt den größten Teil ihres Bürgergelds für die Miete aufwenden, würden hart getroffen.

Kritik von Sozialverbänden und Opposition

Die geplante Pauschalierung stößt auf breite Kritik: SPD-Politiker und Sozialverbände wie Der Paritätische warnen vor mehr Obdachlosigkeit und sozialer Spaltung. Schon jetzt sind die Wohnungsgrößen und die Höhe der anerkannten Miete für Bürgergeldbeziehende begrenzt – neue Pauschalen könnten die Situation erheblich verschärfen. Die SPD fordert stattdessen, das Problem durch mehr Investitionen in sozialen Wohnungsbau und eine echte Mietpreisbremse zu lösen.

Verschärfte Sanktionen und weitere Änderungen

Begleitet wird die Reform von einem härteren Kurs gegenüber Leistungsbeziehenden. Geplant sind schnellere und härtere Sanktionen – im Extremfall der vollständige Leistungsentzug bei wiederholter Jobverweigerung, jedoch nur im Rahmen der verfassungsrechtlich zulässigen Minimalversorgung. Außerdem soll der Mechanismus zur Anpassung der Regelbeträge auf das strengere, inflationsärmere Hartz-IV-Modell zurückgeführt werden. Nach Einschätzung von Experten und Sozialverbänden bleiben die Sätze bis 2027 unverändert, danach sind nur noch moderate Steigerungen zu erwarten.

Wie können sich Betroffene vorbereiten?

Betroffene sollten frühzeitig Kontakt zu Sozialverbänden, Rechtsberatungen oder dem Jobcenter suchen, um die individuellen Folgen abzuschätzen. Wer in hochpreisigen Mietregionen wohnt, muss prüfen, ob ein Umzug droht oder andere Härtefallregelungen greifen könnten. Auch sollten alle Möglichkeiten zur Mietkostensenkung ausgelotet werden, sowohl durch Verhandlungen mit Vermietern als auch durch Unterstützungsangebote der Kommune.

Fazit des Vereins Für soziales Leben e. V.

Die angekündigten bundesweiten Pauschalen bei den Mietkosten in der Grundsicherung markieren einen Paradigmenwechsel – weg von sozialer Individualisierung, hin zu Kostenbegrenzung. Obwohl der Druck auf die Staatsfinanzen real ist, dürfen soziale Härten nicht auf dem Rücken derjenigen ausgetragen werden, die ohnehin kein Polster haben. Zwangsumzüge gefährden sozialen Zusammenhalt und verschärfen Wohnungsnot und Armut. Politik und Gesellschaft müssen sicherstellen, dass das menschenwürdige Existenzminimum gewahrt bleibt – und Praktikabilität nie Vorrang vor Menschenwürde bekommt.

Redakteure

  • Peter Kosick

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

    Alle Beiträge ansehen Peter Kosick
  • ik
    Experte:

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

    Alle Beiträge ansehen Ingo Kosick

Hinweis zur Redaktion und zum Faktencheck
Die Redaktion von Bürger & Geld prüft sämtliche Artikel vor Veröffentlichung sorgfältig nach aktuellen gesetzlichen Grundlagen, offiziellen Statistiken und seriösen Quellen wie Bundesministerien, Sozialverbänden und wissenschaftlichen Studien. Unser Redaktionsteam besteht aus erfahrenen Fachautorinnen für Sozialpolitik, die alle Inhalte regelmäßig überarbeiten und aktualisieren. Jeder Text durchläuft einen strukturierten Faktencheck-Prozess sowie eine redaktionelle Qualitätssicherung, um höchste Genauigkeit und Transparenz zu gewährleisten. Bei allen wesentlichen Aussagen werden Primärquellen direkt im Fließtext verlinkt. Die Unabhängigkeit von Werbung und Drittinteressen sichert neutralen Journalismus – zum Schutz unserer Leserinnen und zur Förderung der öffentlichen Meinungsbildung.


Verantwortlich für die Inhalte auf dieser Seite: Redaktion des Vereins Für soziales Leben e. V. – Ihre Experten rund um Soziale Sicherheit und Altersvorsorge.