Immer mehr Menschen in Deutschland arbeiten über die Regelaltersgrenze hinaus. Viele erwarten, dass sich diese zusätzliche Erwerbstätigkeit auch in ihrer Rentenhöhe widerspiegelt – insbesondere wenn der Arbeitgeber weiterhin Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt. Doch ein aktuelles Urteil des Landessozialgerichts Hessen macht nun deutlich: Ohne aktiven Verzicht auf die Versicherungsfreiheit bleiben diese Beiträge wirkungslos für die eigene Rente. Was bedeutet das konkret für betroffene Rentner?
Warum das Gerichtsurteil so wichtig ist
Das aktuelle Urteil sorgt bundesweit für Klarheit und betrifft zehntausende Rentner, die über die Regelaltersgrenze hinaus arbeiten und glauben, ihre Rente durch die Arbeit zu erhöhen. Die zentrale Aussage: Nur wer rechtzeitig auf die Versicherungsfreiheit verzichtet, kann zusätzliche Rentenansprüche erwerben.
Hintergrund des Streits
Ein bereits rentenbeziehender Kläger hatte weitergearbeitet, sein Arbeitgeber zahlte wie gesetzlich vorgeschrieben Beiträge in die Rentenversicherung. Der Kläger war der Ansicht, dass diese Zahlungen seine Altersrente erhöhen müssten. Die Rentenversicherung hatte diesen Antrag abgelehnt, da Rentner, die eine Vollrente beziehen und keinen Verzicht auf ihre Versicherungsfreiheit erklären, keine zusätzlichen Rentenansprüche erwerben. Rentner, die über der Regelaltersgrenze hinaus arbeiten, sollten daher diese Entscheidung kennen (Quelle: LSG Hessen, Urteil vom 23.04.2024 – L 2 R 36/23).
Was bedeutet Versicherungsfreiheit und wie kann ich davon profitieren?
Versicherungsfreiheit bedeutet, dass ab Erreichen der Regelaltersgrenze – und bei Bezug der Vollrente – weder der Rentner noch der Arbeitgeber eigene Rentenbeiträge auf das Versicherungskonto einzahlen. Arbeitgeber müssen zwar weiterhin Beiträge zahlen, aber diese fließen in die Solidargemeinschaft und nicht auf das Konto des einzelnen Rentners.
- Wer weiterhin arbeiten möchte und erwartet, mehr Rente zu bekommen, muss ausdrücklich auf die Versicherungsfreiheit verzichten.
- Erst nach diesem aktiven Schritt werden alle weiteren Beiträge rentensteigernd berücksichtigt.
Das Flexirentengesetz als Chance
Das sogenannte Flexirentengesetz eröffnet seit 2017 mehr Freiheit: Nun besteht die Möglichkeit für Rentner, mit Erreichen der Regelaltersgrenze freiwillig versicherungspflichtig zu bleiben. Das ist besonders interessant für diejenigen, die von einer rentensteigernden Wirkung profitieren möchten.
Wie funktioniert der Verzicht praktisch?
- Der Verzicht muss schriftlich bei der Rentenversicherung erklärt werden.
- Erst ab Eingang dieser Erklärung werden neue Beiträge, die sowohl von Arbeitgeber als auch von Arbeitnehmer aufgebracht werden, dem individuellen Rentenkonto gutgeschrieben und wirken sich erhöhend auf die Rente aus.
Typische Fehlannahmen und deren Folgen
Viele Rentner wissen nicht, dass der Verzicht aktiv erklärt werden muss. Arbeitgeberbeiträge allein führen nicht zu einer Rentenerhöhung. Wird der Verzicht versäumt, bleibt die Altersrente trotz weiterlaufender Zahlungen des Arbeitgebers unverändert.
Entscheidung im Fall: Fakten kompakt
Sachverhalt | Details |
---|---|
Rentner arbeitet weiter | Arbeitgeber zahlt trotz Altersrente Beiträge |
Art der Rente | Altersvollrente (ohne Verzicht auf Versicherungsfreiheit) |
Rentenerhöhung möglich? | Nein, da kein Verzicht erklärt wurde |
Gesetzliche Grundlage | § 5 Abs. 4 SGB VI, Flexirentengesetz seit 2017 |
Folgen für Rentner | Beiträge zählen nicht fürs eigene Rentenkonto, keine Erhöhung |
Was Betroffene unbedingt wissen müssen
1. Aktives Handeln erforderlich
Nur wer den Verzicht auf Versicherungsfreiheit erklärt, kann vom Weiterarbeiten bei der Rente profitieren.
2. Beiträge des Arbeitgebers ohne Wirkung auf die eigene Rente
Wer auf die Erklärung verzichtet, für den fließen die gezahlten Beiträge in die Solidarkasse und werden nicht dem individuellen Konto zugeschrieben.
3. Keine rückwirkende Beitragserstattung
Eine Erstattung der Arbeitgeberbeiträge ist ausgeschlossen, da diese gesetzlich vorgeschrieben sind und nicht dem Arbeitnehmer ausgezahlt werden.
4. Vorsicht bei Rentenbeginn
Wer frühzeitig eine Vollrente beantragt, sollte prüfen, ob sich ein späterer Zeitpunkt und ein Verzicht auf die Versicherungsfreiheit lohnen könnten.
Versicherungsfreiheit (FAQ)
Wie kann ich den Verzicht auf Versicherungsfreiheit erklären?
Der Verzicht muss schriftlich bei der Deutschen Rentenversicherung eingereicht werden. Erst dann werden neue Beiträge rentensteigernd gewertet.
Was passiert, wenn ich die Erklärung erst nachträglich abgebe?
Die Rentenerhöhung gilt nur für Beiträge, die ab dem Monat des erklärten Verzichts gezahlt werden. Rückwirkende Erhöhungen gibt es nicht.
Warum werden Arbeitgeberbeiträge nicht automatisch berücksichtigt?
Der Gesetzgeber möchte verhindern, dass Rentner nur wegen ihrer Versicherungsfreiheit beschäftigt werden und dadurch reguläre Arbeitsplätze verdrängen.
Was ist, wenn ich als Rentner privat weiter einzahle?
Freiwillige Beiträge von Rentnern können sich rentensteigernd auswirken. Es gelten aber besondere Regeln, die individuell geprüft werden sollten.
Die wichtigsten Tipps für Rentner und solche, die es bald werden
- Prüfen Sie rechtzeitig vor Rentenbeginn, wie Ihre individuelle Rentenstrategie aussieht.
- Informieren Sie Ihren Arbeitgeber und die Rentenversicherung über den gewünschten Status (Versicherungsfreiheit oder nicht).
- Holen Sie sich im Zweifel fachlichen Rat, bevor Sie den Antrag auf Altersrente stellen. Umfassende und verlässliche Informationen erhalten Sie direkt bei der Deutschen Rentenversicherung.