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Kündigung und Abfindung: Warum das Alter zum Schlüsselfaktor wird

Eine neue Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg sorgt aktuell für Diskussionsstoff: Wer kurz vor dem Renteneintritt steht, erhält bei einer Kündigung häufig deutlich weniger Abfindung als jüngere Beschäftigte. Bürger & Geld, das Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e. V., erklärt die Auswirkungen dieses Urteils und was Betroffene wissen sollten.

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In vielen Unternehmen sind betriebsbedingte Kündigungen und Sozialpläne leider keine Seltenheit. Eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Nürnberg sorgt jedoch für neue Unsicherheiten: Demnach kann das Alter eines Arbeitnehmers maßgeblich über die Höhe der Abfindung entscheiden. Besonders rentennahe Jahrgänge erhalten im Rahmen von Sozialplänen oft deutlich weniger Geld als jüngere Kollegen.

Das Urteil aus Nürnberg: Was wurde entschieden?

Das LAG Nürnberg hat entschieden, dass Unternehmen im Sozialplan die Abfindung für Arbeitnehmer ab einem bestimmten Alter – meistens ab 62 Jahren – deutlich kürzen dürfen. Diese Regelung trifft besonders Beschäftigte, die kurz vor dem Renteneintritt stehen. Die Begründung: Arbeitnehmer in Rentennähe sind häufig wirtschaftlich besser abgesichert, weil sie zeitnah eine Altersrente beziehen können. Jüngere Kollegen dagegen droht oft eine längere Zeit der Arbeitslosigkeit – sie sind auf die Abfindung als Überbrückungshilfe stärker angewiesen.

Rechtlicher Hintergrund und mögliche Altersdiskriminierung

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt Arbeitnehmer vor Diskriminierung – auch wegen des Alters. Die Nürnberger Richter räumten dennoch ein, dass Sozialpläne differenzierte Regelungen treffen dürfen, wenn sie „objektiv gerechtfertigt“ sind. Das geschieht meist, um das begrenzte Sozialplanbudget möglichst gerecht auf alle Anspruchsberechtigten zu verteilen.

Abfindung: So rechnen Unternehmen mit dem Alter

Die Höhe der Abfindung wird oft nach einer festen Formel bestimmt: Bruttomonatsgehalt multipliziert mit einem Faktor je Dienstjahr. Wer allerdings am Stichtag das 62. Lebensjahr vollendet hat, bekommt laut dem Urteil des LAG Nürnberg in vielen Fällen nur ein Viertel des vollen Abfindungsbetrags. In der Praxis heißt das: Rentennahe Mitarbeiter erhalten oft nur rund 25% der Standardabfindung.

Praktische Auswirkungen für Arbeitnehmer

Für Arbeitnehmer mit vielen Dienstjahren und entsprechend hohen Abfindungsansprüchen kann dies eine herbe Enttäuschung bedeuten. Wer zum Zeitpunkt der Kündigung wenige Monate vor der Altersrente steht, wird häufig bevorzugt mit einem deutlich reduzierten Betrag abgefunden. Das Urteil sorgt daher für große Diskussionen über Fairness und wirtschaftliche Absicherung.

Tabelle: Beispielrechnung zur Abfindungshöhe

Beispiel-ArbeitnehmerAlter zum StichtagDienstjahreLetztes BruttogehaltStandardabfindung (Formel)Abfindung nach Kürzung (ab 62 J.)
Max Mustermann60252.500€0,6 x 25 x 2.500€ = 37.500€37.500€
Erika Beispiel63252.500€0,6 x 25 x 2.500€ = 37.500€0,25 x 37.500€ = 9.375€
Jens Jung45103.000€0,6 x 10 x 3.000€ = 18.000€18.000€

Argumente für und gegen die Kürzung

Vorteile für Unternehmen und jüngere Arbeitnehmer

  • Sozialplanmittel werden zielgerichteter für diejenigen verteilt, die längere Überbrückungszeiten benötigen.
  • Jüngere, noch nicht rentenberechtigte Mitarbeiter profitieren finanziell stärker und erhalten einen besseren Schutz vor längerer Arbeitslosigkeit.

Nachteile bzw. Kritikpunkte

  • Kürzung kann als Benachteiligung älterer Arbeitnehmer empfunden werden, da langjähriger Einsatz nicht gleichwertig honoriert wird.
  • Individuelle Lebenssituationen – wie hohe finanziellen Belastungen oder Abschläge bei der Rente – bleiben unberücksichtigt.

Was sollten Betroffene tun?

Arbeitnehmer sollten frühzeitig prüfen, wie hoch ihr Abfindungsanspruch im Falle einer betriebsbedingten Kündigung tatsächlich wäre. Individuelle Beratung bei Fachanwälten oder Gewerkschaften hilft, mögliche Ansprüche zu sichern und eventuelle Benachteiligungen rechtlich prüfen zu lassen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wer gilt als „rentennahe“ Jahrgänge?

Als rentennah gelten meist Arbeitnehmer, die das 62. Lebensjahr erreicht haben oder zeitnah eine Altersrente beanspruchen können.

Muss eine Kürzung der Abfindung im Sozialplan ausdrücklich stehen?

Ja, die Regelung muss im Sozialplan klar geregelt und nachvollziehbar formuliert sein.

Ist die Kürzung immer rechtens?

Die Entscheidung des LAG Nürnberg zeigt: Eine pauschale Kürzung ist zulässig, solange sie objektiv gerechtfertigt und nachvollziehbar begründet ist.

Kann ich mich gegen eine Kürzung wehren?

Betroffene können prüfen lassen, ob die Regelung im Einzelfall wirklich gerechtfertigt ist. Eine Beratung durch Spezialisten für Arbeitsrecht ist sinnvoll.

Gilt das Urteil bundesweit?

Das Urteil hat Signalwirkung, aber jeder Sozialplan und jede betriebliche Situation ist individuell zu betrachten. Auch andere Landesarbeitsgerichte können abweichend entscheiden.

Fazit

Das Alter kann im Rahmen von Sozialplänen zu einer spürbaren Minderung der Abfindung führen, wenn Beschäftigte kurz vor dem Renteneintritt stehen. Arbeitnehmer sollten ihre Rechte kennen und im Zweifel rechtliche Unterstützung in Anspruch nehmen. Das Urteil aus Nürnberg spiegelt einen Trend wider, der für viele Arbeitnehmer in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen wird.

Redakteure

  • Peter Kosick

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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  • ik
    Experte:

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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