Bürgergeld: Kleine Anfrage der AfD zur Zuverdienstgrenze von 1200 Euro

Bürgergeld: Kleine Anfrage der AfD an Bundesregierung zur Zuverdienstgrenze von 1200 Euro
Foto des Autors

von

geprüft von

Die AfD-Fraktion hat eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zum Bürgergeld gestellt. Insbesondere geht es um die Zuverdienstgrenzen und den Erwerbstätigenfreibetrag.

Zuverdienstgrenze von 1200 Euro abschaffen?

Die Anfrage zum Bürgergeld steht unter der Überschrift „Fehlende Arbeitsanreize beim Bürgergeld und Wohngeld – Interdependenzen der sozialen Transfersysteme“

Das hört sich klangvoll an, leider eher lateinisch als deutsch.

Die AfD argumentiert wie folgt:

Eine alleinstehende Person im Bürgergeldbezug könne durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ein monatliches Nettoeinkommen von höchstens 850 Euro erreichen (502 Euro Regelsatz zzgl. 348 Euro Erwerbstätigenfreibetrag). Dieses Einkommen werde beim aktuellen Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde nach etwa 23 geleisteten Wochenarbeitsstunden erreicht (12 Euro x 23,08 Stunden x 4,3 Wochen pro Monat).

Jede darüber hinaus geleistete Arbeitsstunde erhöhe das Nettoeinkommen des Bürgergeldbeziehers nicht mehr, da bei Überschreiten der Einkommensgrenze von 1. 200 Euro pro Monat vom Überschreitungsbetrag 100 Prozent auf das Bürgergeld angerechnet werden würden (§ 11b Absatz 3 Nr. 2 SGB II).


Beispielrechnung zum Erwerbstätigenfreibetrag

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) habe anhand einer Beispielrechnung mit Wohngeldbezug aufzeigt, das auch im darüber liegenden Einkommensbereich bis 1 650 Euro evt. die finanziellen Anreize, die eigene Erwerbstätigkeit auszuweiten bzw. eine entsprechende Erwerbsarbeit aufzunehmen, fehlen würden.

Die AfD argumentiert, dass aufgrund des Beispiels klar werde, dass eine Erhöhung der Erwerbsbeteiligung im Entgeltbereich zwischen 1 200 und 1 650 Euro aufgrund Einkommensanrechnung kein höheres verfügbares Einkommen beim Wohngeld bewirken würde

Erst wenn die wöchentliche Arbeitszeit auf mindestens 32 Wochenstunden (12 Euro pro Stunde x 32 Stunden x 4,3 Wochen pro Monat ausgeweitet werden würde, würde dies zu einer weiteren Steigerung des verfügbaren Einkommens führen.

(https://www.iab-forum.de/grundsicherung-fuer-arbeitsuchende-hohe-kosten-der-unterkunft-koennen-die-integration-in-den-arbeitsmarkt-erschweren/).

Zuverdienst: Keine Harmonie mit der Regelung beim Wohngeld?

Es gäbe also einen arbeitsmarktpolitischen Bereich, in dem sich die Ausweitung oder Aufnahme einer Erwerbstätigkeit aufgrund des Zusammenspiels von Bürgergeld und Wohngeld für den Einzelnen finanziell nicht rechnen würde.

Dies würde auch folgendes Beispiel verdeutlichen:

Ein Ein-Personen-Haushalt erziele bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden zum aktuellen Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde ein Bruttoeinkommen von 1 560 Euro (12 Euro x 30 Stunden x 4,3 Wochen pro Monat). Das entspräche einem Nettoeinkommen von 1 200 Euro.

Die Nettokaltmiete einer 43 qm großen Wohnung in Berlin wird im Beispiel mit 11,69 Euro pro qm angenommen. Hinzu werden 1,66 Euro pro qm kalte bzw. 2,56 Euro pro qm warme Betriebskosten genommen.

Die Gesamtmiete in diesem Beispiel belaufe sich somit, so die AfD, auf insgesamt 612,75 Euro.

Die AfD rechnet weiter: Der Haushalt besitze somit einen Wohngeldanspruch von 247 Euro (https://www.wohngeld.org/wohngeldrechner/).

[Hier nutzt die AfD einen Rechner einer kommerziellen, nicht offiziellen Internetseite. Wir finden: das geht nicht! ]

Das verfügbare Haushaltseinkommen belaufe sich deshalb, so die AfD, bei einer Erwerbstätigkeit von 30 Stunden somit auf 834 Euro (1 200 Euro Nettoeinkommen – 612,75 Euro Miete + 247 Euro Wohngeld).

Reduziere der beschriebene Haushalt nun seine wöchentliche Arbeitszeit von 30 auf 20 Stunden, so die AfD, sinke sein Bruttoeinkommen auf 1.040 Euro (12 Euro x 20 Stunden x 4,3 Wochen pro Monat). Der Haushalt würde dann aus dem Wohngeldbezug in den Bürgergeldbezug wechseln.

Aufgrund des Erwerbstätigenfreibetrags (§ 11b SGB II) blieben dem Haushalt vom erzielten Einkommen 332 Euro anrechnungsfrei erhalten. Die Kosten der Unterkunft von 612,75 Euro würden vom Jobcenter aufgrund der Karenzzeit vollständig übernommen.

Das verfügbare Haushaltseinkommen bei einer Erwerbstätigkeit von 20 Stunden belaufe sich – trotz der deutlich reduzierten Stundenzahl – weiterhin auf 834 Euro (502 Euro Bürgergeld + 332 Euro Erwerbstätigenfreibetrag).

Durch den Wechsel aus dem Wohngeld- in den Bürgergeldbezug entfiele zudem für den Haushalt u. a. die Verpflichtung zur Zahlung des Rundfunkbeitrages (18,36 Euro pro Monat).

Folglich, so schlussfolgert die AfD, stelle sich im aufgezeigten Beispiel nicht nur ein zeitlicher, sondern auch finanzieller Vorteil mit der Reduzierung der Stundenzahl ein.


Das will die AfD von der Regierung wissen:

Die AfD-Fraktion stellt der Bundesregierung nach oben skizzierter Einleitung unter anderem folgende Fragen:

„1. Wie bewertet die Bundesregierung die vom IAB aufgezeigten Fehlanreize und sind diese der Bundesregierung bekannt?

2. Plant die Bundesregierung, die vom IAB aufgezeigten Fehlanreize zu beseitigen?

Wenn ja, wann wird dies voraussichtlich erfolgen?

3. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Beseitigung der vom IAB aufgezeigten Fehlanreize die Erwerbsbeteiligung steigern könnte?

Wenn nein, warum nicht?

4. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag des IAB, die Hinzuverdienstgrenzen beim Bürgergeld von derzeit 1 200 Euro (bzw. 1 500 Euro) abzuschaffen?

5. Sprechen aus Sicht der Bundesregierung Gründe für eine Abschaffung der Hinzuverdienstgrenzen beim Bürgergeld und wenn ja, welche?

6. Sprechen aus Sicht der Bundesregierung Gründe gegen eine Abschaffung der Hinzuverdienstgrenzen beim Bürgergeld und wenn ja, welche?

7. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des IAB, dass eine Abschaffung der Hinzuverdienstgrenzen beim Bürgergeld die Zahlungen im Bereich der Kosten der Unterkunft reduzieren könnte.

….“

Daneben wurden noch weitere Fragen gestellt, die im Zusammenhang mit Statistiken stehen.

Hier die Anfrage in der gesamten Länge und im Original: https://dserver.bundestag.de/btd/20/056/2005632.pdf

Wir fragen uns (rhetorisch): was will die AfD damit erreichen? Die Abschaffung der Hinzuverdienstgrenze von 1200 Euro?

Schreibe einen Kommentar