Für getrennt lebende Eltern und Bürgergeld-Empfänger ist die Anrechnung von Kindesunterhalt auf den Bürgergeld-Anspruch oft ein Buch mit sieben Siegeln. Deshalb erklärt nachfolgender Beitrag auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V., Schritt für Schritt, wie Kindergeld sowie Unterhaltszahlungen den Bürgergeld-Bedarf und Anspruch mindern. Praxisnahe Beispielrechnungen zeigen, ab welcher Unterhaltshöhe kein Bürgergeld mehr gezahlt wird. Zudem erfahren Sie, wie das Jobcenter bei nichtzahlenden Vätern vorgeht und wann Unterhaltsvorschuss vom Jugendamt beantragt werden muss – inklusive aller Neuerungen für 2025.
Kindesunterhalt, wenn Vater und Mutter getrennt leben
Der häufigste Fall hinsichtlich des Kindesunterhalts ist der, dass sich Mutter und Vater getrennt haben, das Kind bei der Mutter lebt und der Vater Unterhalt für das Kind an die Mutter leistet. Dieser ist Basis unserer nachfolgenden Besprechung.
Die Höhe des Kindesunterhalts richtet sich nach dem Einkommen des Vaters. Berechnet wird anhand der Düsseldorfer Tabelle. Die Mutter, bei der das Kind lebte, erfüllt ihre Unterhaltspflicht durch die Betreuung und Pflege des Kindes. Der nicht betreuende Vater muss seiner Unterhaltspflicht durch Barunterhalt nachkommen.
Kann der Vater – etwa. aufgrund eigenen Bezugs von Bürgergeld oder aufgrund geringen eigenen Einkommens – keinen Kindesunterhalt zahlen, besteht ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss gegenüber dem Jugendamt.
Anrechnung von Kindesunterhalt auf Bürgergeld
Mutter und Kind im Bürgergeld Bezug bilden eine Bedarfsgemeinschaft. Der Kindesunterhalt ist Einkommen des Kindes und mindert den Bürgergeld-Bedarf des Kindes. Das Jobcenter prüft also bei einem Antrag auf Bürgergeld immer, ob ein Unterhaltsanspruch des Kindes besteht und ob dieser realisiert werden kann.
Der Kindesunterhalt – genauso wie das Kindergeld – wird vom Bürgergeld-Gesetz als Einkommen des Kindes behandelt. Beides wird auf den Bedarf des Kindes angerechnet. Zum Bedarf des Kindes zählt beim Bürgergeld allerdings nicht nur der Regelbedarf, der durch den Regelsatz abgedeckt wird, sondern auch Mehrbedarf, z. B. bei Behinderung, und die anteiligen Kosten der Unterkunft (Miete, Heizkosten).
Hinsichtlich der Mietkosten wird beim Bürgergeld der Wohnraum pro Kopf aufgeteilt. Das ist anderes als beim Kinderzuschlag; dort werden die Quoten für den Wohnanteil des Kindes entsprechend den Vorgaben dem Existenzminimum-Berichtsder Bundesregierung berechnet .
Sind der Unterhalt und das Kindergeld höher als der gesamte Bürgergeld Bedarf oder gleich hoch, so besteht für das Kind kein Anspruch auf Bürgergeld. Im ersteren Fall (Kindesunterhalt plus Kindergeld sind höher als der Bürgergeld-Bedarf des Kindes, erfolgt auch eine Anrechnung auf den Bürgergeld-Anspruch der Mutter.
Anrechnung Kindesunterhalt auf Bürgergeld: Beispielrechnungen
Beispielrechnung 1: Kind kann den Bedarf nicht allein aus Unterhaltszahlung decken
In nachfolgenden Beispielen zeigen wir, wie der Kindesunterhalt auf den Bedarf des Kindes beim Bürgergeld angerechnet wird.
Wir gehen in der ersten Bürgergeld Unterhalt Beispielrechnung von folgenden Zahlen aus:
Eine Mutter lebt mit ihrem 9 Jahren alten Kind in einer Mietwohnung, ist selbst nicht erwerbstätig. Für das Kind besteht eine private Haftpflichtverischerung.
Miete inkl. Heizkosten: 600 Euro
Kindesunterhalt: 300 Euro
Kindergeld: 255 Euro
monatlich.
Bedarf für | |
Regelsatz Mutter | 563 Euro |
Mehrbedarf Alleinerziehend für Mutter 12% | 67,56 Euro |
Regelsatz Kind 9 Jahre | 390 Euro |
Kosten der Unterkunft und Heizung | 600 Euro |
Gesamtbedarf der Familie | 1.5620,56 Euro |
Der Bedarf des Kindes berechnet sich wie folgt:
Bedarf für Kind | |
Regelsatz Kind 9 Jahre | 390 Euro |
Kosten der Unterkunft und Heizung (50%) | 300 Euro |
Gesamtbedarf der Tochter | 690 Euro |
Vom Bedarf des Kindes werden nun zunächst der Unterhalt und dann das Kindergeld abgezogen.
Bedarf des Kindes | 690 Euro |
abzüglich Unterhalt (gemindert um 30 Euro Versicherungspauschale) | -300 Euro |
Freibetrag Versicherungspauschale (§ 6 Abs. 1 Nr. 2. Bürgergeld-Verordnung) | + 30 Euro |
abzüglich Kindergeld | -255 Euro |
Bürgergeld Anspruch des Kindes | 175 Euro |
Durch den Unterhalt des Vaters sowie der Anrechnung des Kindergeldes zahlt das Jobcenter für das Kind noch 123 Euro aus. Der restliche Bedarf wird aus Unterhalt und Kindergeld gedeckt.
Beispielrechnung 2: Kind kann seinen Bedarf aus Unterhaltszahlung decken
Es gelten die gleichen Zahlen wie im 1. Beispiel. Die Unterhaltszahlung des Vaters beträgt nunmehr 500 Euro.
Bedarf des Kindes | 690 Euro |
abzüglich Unterhalt (gemindert um 30 Euro Versicherungspauschale) | -500 Euro |
Freibetrag Versicherungspauschale (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Bürgergeld-Verordnung) | + 30 Euro |
abzüglich Kindergeld | -255 Euro |
Bürgergeld Anspruch des Kindes wird überschritten in Höhe von | 105 Euro |
Das Einkommen des Kindes übersteigt in dieser Beispielrechnung seinen Bedarf um 105 Euro. Folglich besteht kein Bürgergeld-Anspruch für das Kind.
Der übersteigende Betrag von 105 Euro steht der Bedarfsgemeinschaft jedoch zur Verfügung und wird als sonstiges Einkommen der Mutter behandelt, also nicht als Erwerbseinkommen. 105 Euro werden bei der Mutter als sonstiges Einkommen angerechnet. Da kein Erwerbseinkommen, steht der Mutter die Versicherungspauschale nach, § 6 Abs. 1 Nr. 1 Bürgergeld-Verordnung in Höhe von 30 Euro zur Verfügung; es ergibt sich folgende Berechnung:
Bedarf der Familie | 1.560,56 Euro |
abzüglich gedeckter Bedarf des Kindes | -690 Euro |
abzüglich Kindergeld Überschuss | -105 Euro |
Zuzüglich Freibetrag Versicherung | +30 Euro |
Bürgergeld Auszahlung | 795,56 Euro |
Zusammenfassung Bürgergeld und Kindesunterhalt
Zahlt der Vater (oder die Mutter) keinen Unterhalt an die Mutter (oder den Vater), die oder der mit dem Kind zusammenlebt, so kann die Mutter (oder der Vater) nicht einfach auf die Unterhaltszahlung verzichten und stattdessen Bürgergeld für das Kind beantragen. Grund: Unterhalt, Kindergeld und Unterhaltsvorschuss werden auf den Bürgergeld-Anspruch des Kindes und möglicherweise auch auf den der Mutter bzw. des Vaters angerechnet.