Bürgergeld: kein Jobcenter Darlehen bei Mietschulden im Missbrauchsfall – Urteil

Bei Mietschulden muss das Jobcenter grundsätzlich ein Bürgergeld Darlehen gewähren. Das gilt insbesondere, wenn minderjährige Kinder betroffen sind. Ausnahmsweise treten deren Belange zurück, wenn ein Missbrauchsfall vorliegt. Das hat das Landessozialgericht Niedersachsen entschieden. Wir erklären die Entscheidung.

Mietschulden rechtfertigen nicht immer ein Bürgergeld Darlehen des Jobcenters.
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Liegen Mietschulden vor und droht die Kündigung der Wohnung und Obdachlosigkeit so gewährt das Jobcenter Beziehern von Bürgergeld in aller Regel ein Darlehen

Nunmehr hat das Landessozialgericht Niedersachsen entschieden, dass auch ein wirtschaftlich unvernünftiges und vorwerfbares Verhalten des Hilfebedürftigen ein Darlehen nicht ausschließt.  Anders sieht es jedoch aus, wenn ein Missbrauchsfall gegeben ist.

In nachfolgendem Artikel werfen wir ein Blick auf das Urteil des Landessozialgerichts zum Thema,  ob und wann das Jobcenter ein Darlehen bei Mietschulden und drohender Obdachlosigkeit gewähren muss.

Leitsätze des LSG Niedersachsen zum Jobcenter Darlehen bei Mietschulden

Wann muss das Jobcenter ein Bürgergeld Darlehen bei Mietschulden gewähren? Nicht bei Missbrauch.

Grundsätzlich muss das Jobcenter ein Darlehen bei Mietschulden gewähren, insbesondere wenn Kinder betroffen sind. Das gilt jedoch nicht in Bürgergeld Missbrauchsfällen – so das Landessozialgericht Niedersachsen.

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat unter dem Az. L 6 AS 90/23 B ER Leitsätze hinsichtlich der Gewährung von Jobcenter Darlehen bei Mietschulden mit drohender Obdachlosigkeit aufgestellt. Wir geben nachfolgend den wesentlichen Inhalt wider:

Der Bewilligung eines Darlehens zur Deckung aufgelaufener Mietschulden durch das Jobcenter steht ein wirtschaftlich unvernünftiges und vorwerfbares Verhalten des Hilfebedürftigen regelmäßig nicht entgegen.  Anders ist es in Missbrauchsfällen.

Ein Missbrauchsfall liegt vor, wenn die Mietschulden wenigstens mit bedingtem Vorsatz herbeigeführt wurden. Das gilt insbesondere, wenn es trotz entsprechender Unterstützung in der Vergangenheit wiederholt zu Rückständen gekommen und kein Selbsthilfewillen zu erkennen ist.

Das Landessozialgericht stellt also auf die vorrangige Selbsthilfemöglichkeit ab, die in § 2 Abs. 2 SGB II (Bürgergeld Gesetz) niedergelegt ist.


Minderjährige Kinder und Mietschulden versus Missbrauch von Bürgergeld Leistungen

Selbstverständlich ist das Interesse und sind die Belange  von minderjährigen Kindern bei Mietschulden und der Entscheidung über die Darlehensgewährung zu berücksichtigen.  Doch ein Missbrauch von staatlichen Leistungen kann deren Interesse überwiegen. Das hat das Landesssozialgericht im zu entscheidenden Fall bejaht:  Ein der Darlehensgewährung auch unter Berücksichtigung der Belange von zwei minderjährigen Kindern entgegenstehender Missbrauch liege vor. Das Gericht stellt auf folgende Punkte ab:

  • Elf bzw. acht Jahre vor der Entstehung der Mietrückstände sind bereits zwei Darlehen in Höhe von mehr als 7.300,- Euro zur Deckung von Energieschulden gewährt worden,
  • Diese Darlehen werden noch durch laufende Aufrechnung getilgt.
  • Der Auftrag an den Leistungsträger zur unmittelbaren Zahlung an den Vermieter wurde widerrufen.
  • Die Mietzahlungen wurde – mit der Folge von Mietrückständen in Höhe von über 9.600,- Euro – nahezu eingestellt.
  • Mehrere Ratenzahlungskäufe über hochpreisige Konsumgüter wurden getätigt.
  • Es wurden Barabhebungen getätigt, die die Mietschulden deutlich überstiegen, deren Verwendungszweck oder Empfänger auch auf gerichtliche Aufforderung nicht erklärt wurden.

Darlehen bei Mietschulden auch, wenn vorwerfbares Verhalten vorliegt

Die Gewährung eines Jobcenter Darlehens bei Mietschulden ist in § 22 Ab.s 8 SGB II (Bürgergeld Gesetz) geregelt.

Das Landessozialgericht verwies auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG):

Nach der Rechtsprechung des BSG tritt bei der Gesamtabwägung nach § 22 Abs 8 Satz 2 SGB II auch ein wirtschaftlich unvernünftiges und vorwerfbares Handeln des Hilfebedürftigen, das die drohende Wohnungslosigkeit mitverursacht haben kann, regelmäßig zurück (BSG, Urteil vom 17. Juni 2010 – B 14 AS 58/09 R – Rn 31).  

Das Gericht argumentierte, dass  Miet- oder Energieschulden  in aller Regel durch ein – gegebenenfalls auch nicht nachvollziehbares – Fehlverhalten des Leistungsberechtigten entstünden. Die Regelung zur Schuldenübernahme würde im Wesentlichen leerlaufen, wenn darauf abgestellt werden würde, ob die Schulden vorwerfbar entstanden sind.


Belange minderjährige Kinder sind bei der Darlehensgewährung zu berücksichtigen

Das Gericht erklärte, dass es allgemein vertretene Auffassung in Rechtsprechung und Lehre sei, dass Verschuldensgesichtspunkte im Rahmen der Ermessensausübung über eine Darlehensgewährung regelmäßig zurücktreten, wenn minderjährige Kinder betroffen sind, weil ein erwachsener Leistungsberechtigter in Ausnahmefällen auf die übergangsweise Nutzung einer Notunterkunft verwiesen werden darf, nicht aber minderjährige Kinder bei einem fehlerhaften Verhalten ihrer Eltern.  

In Bürgergeld Missbrauchsfällen treten Interessen der Kinder zurück

Das Gericht urteile weiter, dass in Missbrauchsfällen im Bereich des Bürgergeldes etwas anderes gelte. Ein Missbrauchsfall liege vor bei zumindest bedingt vorsätzlicher Herbeiführung von Rückständen für Unterkunftskosten,  insbesondere wenn es trotz entsprechender Unterstützung in der Vergangenheit wiederholt zu Rückständen gekommen und kein Selbsthilfewille erkennbar ist.

Es liege dann ein besonderer Ausnahmefall eines sozialwidrigen und auch gegenüber eigenen Kindern verantwortungslosen Verhaltens vor.,

Das sei im zu entschiedenen Fall gegeben, so das Landessozialgericht (s.o.).


Zusammenfassung zu Jobcenter-Darlehen bei Mietschulden

Das Wichtigste zum Schluss kurz zusammengefasst:

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass

  • ein Jobcenter-Darlehen bei Mietschulden in aller Regel zu gewähren ist, insbesondere wenn minderjährige Kinder betroffen und von Obdachlosigkeit bedroht sind,
  • dies jedoch in Missbrauchsfällen nicht gilt; dann kann das Jobcenter ein Darlehen verweigern, auch wenn minderjährige Kinder im Haushalt leben.

Quelle

Landessozialgericht Niedersachsen Bremen