Bürgergeld: Ein Jahr im Check – Zahlen, Fakten und die bittere Wahrheit

Ein Jahr ist es her, dass das Bürgergeld die Hartz-IV-Leistungen abgelöst hat. Höchste Zeit, um eine Bilanz zu ziehen: Was hat sich getan? Wie viele Menschen profitieren von der neuen Leistung? Und welche Herausforderungen gibt es noch?

Ein Jahr Bürgergeld: die Bilanz nach Zahlen und Fakten
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Das Bürgergeld hat nun seit etwas mehr als einem Jahr das Vorgänger-Modell „Hartz IV“ abgelöst. Schon vorher gab es Kritik, die bis in die Gegenwart fortbesteht. Vor allem die AFD und CDU wollen das Bürgergeld wieder abschaffen, den Namen streichen.

Doch ist die Kritik wirklich begründet? Zahlen und Fakten belegen, dass das Bürgergeld funktioniert. Wir zeigen das in unserem Beitrag!

Seit wann gibt es Bürgergeld?

Ein Jahr Bürgergeld. Wie sieht die Bilanz aus?

Das Bürgergeld gibt es nun seit einem Jahr. Wir, der Verein für soziales Leben e.V., schauen, wie die Bilanz aussieht, Fakten und Zahlen!

Mit dem Bürgergeld Gesetz wurde das SGB II reformiert, das Bürgergeld eingeführt, das System von Hartz IV zu den Akten gelegt. Umgesetzt wurde das Gesetz durch die Ampel-Koalition. Doch die CDU/CSU mit ihrer Mehrheit im Bundestag hat dem Gesetz zugestimmt. Aus diesem Grunde muss man sagen, dass das Bürgergeld-Gesetz von allen großen Parteien in Deutschland mitgetragen wurde.

Einen Anspruch auf Bürgergeld hat, wer – obwohl er erwerbsfähig ist – seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sicherstellen kann. Die Gründe hierfür sind unerheblich. Es mag sein, dass das Gehalt nicht reicht, es mag sein, dass Arbeitslosigkeit besteht.

Vor Inkrafttreten des Bürgergeld-Gesetzes hieß das Bürgergeld Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld.

Wie viele Menschen beziehen Bürgergeld?

Nach statistischen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit beziehen Anfang 2024 etwa 5,6 Millionen Menschen Bürgergeld nach dem SGB II. Diese Zahl der Leistungsberechtigten lässt sich weiter unterteilen. Fast 4 Millionen sind erwerbsfähig, nicht ganz 1,6 Millionen sind nicht erwerbsfähig. Es sind vorwiegend Kinder und Jugendliche.

Die erwerbsfähigen knapp 4 Millionen Leistungsberechtigten sind zu fast gleichen Anteilen Frauen und Männer, wobei die Zahl der Frauen leicht höher ist. Etwa 2,5 Millionen erwerbsfähige Bürgergeld Bezieher gehören zur Altersgruppe 25 bis 55 Jahre. Ewas weniger als eine dreiviertel Million sind unter 25 Jahren alt, etwas mehr als eine dreiviertel Million sind älter als 55 Jahre.


Jung oder alt – wer bekommt das Bürgergeld?

Die knapp 1,6 Millionen Bürgergeld Bezieher, die nicht erwerbsfähig sind, lassen sich wie folgt unterteilen: mehr als 1,5 Millionen sind unter 15 Jahre alt, knapp 50.000 sind 15 Jahre und älter.

Von den fast 4 Millionen erwerbsfähigen Bürgergeld Beziehern sind gut 1,7 Millionen arbeitslos. 2,2 Millionen sind nicht arbeitslos. Sie machen folgendes: arbeitspolitischen Maßnahmen,  Ausbildung, sind arbeitsunfähig, in Pflege oder Erziehung oder nehmen eine Sonderregelungen für Ältere wahr.

Nicht ganz 800.000 der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten üben ein Erwerbstätigkeit aus, 80.000 von den 800.000 arbeiten in Vollzeit.

Wie viele ausländische Mitbürger erhalten Bürgergeld?

Die Zahl der ausländischen erwerbsfähigen Bezieher von Bürgergeld ist größer als 1,8 Millionen. Den weitaus größten Anteil der Ausländer im Bürgergeld Bezug machen ukrainische Geflüchtete aus: mehr als 700.000.   


Wie viel Bürgergeld bekommen die Menschen?

Das Bürgergeld ist zum 1. Januar 2024 erhöht worden. Alleinstehende erhalten als Regelsatz nun 563 Euro. Die genaue Tabelle zum Regelsatz finden Sie hier: Bürgergeld Regelsatz 2024

Zusätzlich zum Bürgergeld Regelsatz zahlt das Jobcenter Kosten für die Unterkunft.

Sie wollen Ihren Bürgergeld Anspruch selbst berechnen? Nutzen sie den Bürgergeld Rechner!

Wie wird der Bürgergeld Regelsatz berechnet?

Der Regelsatz für das Bürgergeld muss das sogenannten soziokulturellen Existenzminimum abdecken. Zur Berechnung des Regelsatzes wird neben der Preis- und Lohnentwicklung zusätzlich auch die aktuelle Inflation berücksichtigt.

Zu den Einzelheiten hier: Berechnung des Regelsatzes

Lohnt sich Arbeiten nicht mehr? Ist das Bürgergeld höher als ein Vollzeitjob nach Mindestlohn?

Die klare Antwort lautet: Nein! Experten haben nachgerechnet. Beispielhaft seien die Berechnungen des Sozialexperten Eric Seils vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung angeführt.

Für unterschiedliche Haushaltskonstellationen hat das WSI berechnet, wie hoch das verfügbare Einkommen mit Erwerbsarbeit zum Mindestlohn im Vergleich zum Bezug von Bürgergeld ist. Das Ergebnis:

  • Alleinstehende, die in Vollzeit zum Mindestlohn arbeiten, erzielen ein um 532 Euro höheres Nettoeinkommen als alleinstehende Bürgergeld Bezieher (im Jahr 2024).
  • Alleinerziehenden mit einem Kind erzielen mit Erwerbseinkommen – abhängig vom Alter des Kindes –  zwischen 715 und 765 Euro mehr als bei einem Bezug von Bürgergeld.
  • Eine vierköpfige Familie, ein Elternteil erwerbstätig, eins nicht,  zwei Kinder, erzielt mit Erwerbseinkommen – abhängig vom Alter des Kindes – zwischen 406 und 634 Euro mehr als beim Bezug von Bürgergeld.

Gibt es eine steigende Zahl von Bürgergeld Beziehern?

Die Antwort lautet ganz klar: Nein!. Ebenfalls nein. Im Online-Magazin „Makronom“  schrieb der Wirtschaftswissenschaftler Enzo Webe, dass die monatlichen Zugänge „aus Beschäftigung in die Grundsicherung (Bürgergeldbezug) aktuell bis Oktober 2024 so niedrig wie noch nie“ seien. „Nach der Bürgergeldeinführung Anfang 2023 sind die Zugänge sogar weiter gesunken.“

Dies bestätigt ebenfalls die Bundesregierung in einer offiziellen Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag, Deutscher Bundestag, DS 20/10458. Neu aus Beschäftigung auf dem regulären Arbeitsmarkt in den Bürgergeld Bezug kamen 2023 etwa 340.000 Menschen. Das waren  54.000 weniger als im Jahr 2022.  Im Jahr der Einführung des Bürgergelds gab es damit den bislang niedrigsten Zugang an Arbeitslosen in die Grundsicherung für Arbeitsuchende aus regulärer Beschäftigung – und zwar seit 2005, dem Jahr, in dem „Hartz IV“ eingeführt worden ist.

Was sind die Hauptunterschiede zwischen Bürgergeld und Hartz IV?

Folgende Unterschiede zwischen Bürgergeld und Hartz IV haben wir herausgesucht:

Karenzzeit

Im ersten Jahr des Bürgergeld Bezugs gibt es eine Karenzzeit. Vermögen wird für die erste Person der Bedarfsgemeinschaft erst dann berücksichtigt, wenn es höher als 40.000 Euro ist. Für jede weitere Person der Bedarfsgemeinschaft bleiben jeweils weitere 15.000 Euro geschützt.

Einkommensfreibeträge

Das Bürgergeld hat höhere Einkommensfreibeträge mit sich gebracht. Diese sollen den Anreiz für eine Arbeitsaufnahme erhöhen. Die Einzelheiten hierzu finden Sie hier: Einkommensfreibeträge Bürgergeld.

Ausbildung vor Aushilfsjob

Das Bürgergeld Gesetz fördert die berufliche Weiterbildung. Ausbildung geht einem Aushilfsjob vor. Wer einen Berufsabschluss nachholen will, bekommt seit dem 1. Juli 2023 für die Ausbildungszeit eine unverkürzte Förderung. Gefördert wird auch der Erwerb von Grundkompetenzen wie Lese-, Mathematik- oder -IT-Fertigkeiten, zudem berufsbezogenen Weiterbildungen.


Welche Sanktionen gibt es beim Bürgergeld?

Das Bürgergeld Gesetz vermeidet den Begriff Sanktionen. Es spricht von Leistungsminderungen. Aktuell ist jedoch eine Gesetzesänderung beschlossen worden, nach der der Regelsatz des Bürgergelds für maximal 2 Monate vollständig gestrichen werden kann, „wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte sich willentlich weigern, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen”. Stichwort: Totalsanktionen). Kosten der Unterkunft sind nicht betroffen. Bei Härtefällen, etwa einer psychischen Erkrankung darf ebenfalls nicht gestrichen werden.

Fazit zu einem Jahr Bürgergeld

  • Das Bürgergeld ist ein Erfolg! Im Vergleich zu Hartz IV. Weniger Menschen sind aus Arbeit in den Leistungsbezug gerutscht als je zuvor.
  • Die Grundsicherung für Arbeitssuchende ist menschlicher geworden.
  • Und das Wichtigste: Arbeit lohnt sich – auch unter dem neuen Bürgergeld! Weiter so!

Quellen

Enzo Weber in Makronom

Deutscher Bundestag

WSI

Eigene Recherche Redaktion buerger-geld.org (Für soziales Leben e.V.)